Fachmessen als wichtigstes B2B-Marketinginstrument haben sich seit 2020 radikal verändert: Digitale Angebote sind inzwischen ein Muss für Aussteller und Veranstalter. Wie kann ein systematisches Medienmonitoring die Weiterentwicklung des Marketingkanals Messe unterstützen?

 

Noch 2019 hatten deutsche B2B-Unternehmen fast die Hälfte ihrer Marketingbudgets für Messen ausgegeben, so schätzt die AUMA, der Verband der deutschen Messewirtschaft. Teilnahmen an der Hannover Messe oder einer der weltweit vielen hundert Branchenfachmessen galten in vielen Firmen als der Höhepunkt des Geschäftsjahres, auf den die übrige Zeit hingearbeitet wurde.

Im Herbst 2021 gibt es nun wieder erste Präsenzmessen nach anderthalb Jahren Zwangspause. Diese Pause haben Austeller wie auch Veranstalter auf sehr unterschiedliche Weise genutzt, Alternativen zur Präsenzmesse zu entwickeln und zu testen.

Elisabeth Biedermann, Director Brand & Corporate Communication beim Messeveranstalter RX Austria & Germany, vormals Reed Exhibitions, fasst die für sie wichtigsten Trends zusammen und erklärt, warum ein permanentes Medienmonitoring entscheidend sein kann, um einzelne Messeformate erfolgreich zu machen.

 

Elisabeth, hat die Präsenzmesse als der Klassiker unter den Messen eine Zukunft?

Ganz sicher sogar. Warum freuen sich im Moment alle wieder über echte Messebesuche? Weil es ein Urbedürfnis des Menschen ist, mit anderen Menschen zu interagieren, zu netzwerken. Die Frage darf also nicht lauten, ob die Präsenzmesse eine Zukunft hat, sondern wie diese aussehen wird. Wer glaubt, dieses „Netzwerk-Urbedürfnis“ digital ersetzen zu können, hat nicht kapiert, dass der digitale User im Unterschied zum echten Messebesucher komplett anders tickt. Auch wir mussten das in den vergangenen Monaten erst lernen.

Der Marketingkanal Messe erlebt also gerade eine beschleunigte Ausdifferenzierung?

Richtig. Unternehmen wie auch Messeveranstalter müssen darauf auch mit ausdifferenzierten, aber am Ende ganzheitlichen Angeboten, reagieren – und zwar das ganze Jahr über.

Viele Unternehmen testen gerade, wie sie ihre Produkte und Leistungen im optimalen Mix von physisch und digital präsentieren. Welche Trends beobachten Sie dabei?

Ein ungebrochener Trend bei Ausstellern ist nach wie vor die Generierung von qualitativen Sales-Leads. Daran führt kein Weg vorbei. Präsenzmessen spielen hier ganz klar ihre Stärken als Networking-Events aus. Sie bringen nicht nur unterschiedliche Meinungen und Ideen zusammen, sie schaffen auch einen optimalen Nährboden für Innovation. Innovation entsteht durch Ideen und Ideen haben Menschen. Präsenzmessen vernetzen Menschen. Und – banal gesagt – steckt hinter jeder Zusammenkunft immer ein Lead.

Und warum klappt das nicht mit virtuellen Formaten?

Virtuelle Formate dienen hauptsächlich der Informationsvermittlung. Ein Grund, warum viele Aussteller in den vergangenen Monaten von der digitalen Lead-Generierung eher enttäuscht waren, ist, dass der digitale User völlig anders tickt als der physische Messebesucher. Ersterer will sich nämlich nicht vernetzen und bleibt lieber anonym.

Ein Punkt ist wichtig an dieser Stelle: Die Realität lässt sich nicht einfach digitalisieren. Fancy 3D-visualisierte Messestände mit Avataren sind super für Marketingabteilungen, die vor ihren Chefs glänzen möchten. Mehr aber auch nicht. Den User interessiert das weniger. Oder wann haben Sie sich das letzte Mal stundenlang durch virtuelle Messestände geklickt und mit Avataren gechattet? Natürlich haben wir das bei RX auch probiert und haben dabei aber gelernt, dass dies für uns nicht der richtige Weg ist.

Hybride Messeformate physisch+virtuell haben sich also nicht bewährt?

Gegenfrage. Wann findet „hybrid“ für Sie statt? Zeitgleich, vor oder nach einem Event? Livestreams & Co. werden dem Thema „hybrid“ nicht gerecht, das ist kein One-Way-Ticket in die digitale Welt. Wenn es das wäre, dann müsste man zwei völlig unterschiedliche Communities zeitgleich mit denselben Ressourcen bedienen. Dass das nicht gut gehen kann, ist klar und dass es die meisten Messeveranstalter aber trotzdem versuchen, leider auch. Sinnvoller wäre, die physischen Messen ganzjährig mit einem umfassenden digitalen Kommunikationsangebot zu stärken. Dafür brauche ich für meine Zielgruppen relevanten Content.

Und wann ist Content relevant?

Wenn ich damit ein Problem löse oder die Bedürfnisse meiner User befriedige. Viele Messeveranstalter bauen derzeit ihre Landingpages zu Informationsportalen um. Gut so. Damit wollen sie Aussteller wie Besucher erreichen. Dahinter verbergen sich neue Geschäftsmodelle, die die Veranstalter unabhängiger vom Quadratmeterverkauf machen sollen. Ein Thema, das seit Covid in der Strategieagenda eine Poleposition bezogen hat. Aber auch Aussteller bieten über ihre eigenen digitalen Kanäle verstärkt Know-how an, um ihre Kompetenz zu beweisen.

Wie nutzen Messeaussteller und -veranstalter mit einem Fokus auf Content-Marketing das Web- und Medienmonitoring?

Es geht um eine klare Themenfokussierung. Welches die relevanten Themen oder Trends sind, erfahren wir durch systematische Recherche, sprich ein permanentes Monitoring. Das fängt mit Keyword-Recherchen an, geht über Google Trendanalysen, Branchenbefragungen, Social Media. Das erstreckt sich aber auch über ein spezialisiertes Monitoring der Fachpresse, der von ihr herausgegebenen Newsletter oder Podcasts und der wichtigen Player einer Branche, etwa Unternehmensberatungen, Agenturen, Marktforschern oder anderen Influencern. Das erstreckt sich auch auf das Monitoring von Unternehmen und Wettbewerbern, die auf einer bestimmten Fachmesse vielleicht gar nicht selbst präsent sind.

Ein Fazit zum Schluss?

Ziel von Messeveranstaltern wie auch Ausstellern sollte es sein, ihr Know-how über die eigenen physischen Präsenzen hinaus anzubieten: Über Content, der online aufgegriffen wird, eben weil er wichtig und relevant ist. Und zwar idealerweise in einer 365-Tage-Strategie hin zu einem großen Netzwerk-Event, wie einer Messe. Denn damit habe ich sofort die passenden Gesprächsanlässe parat. Das trifft übrigens auch auf Hausmessen von Unternehmen zu: Nur wenn ich potenzielle Besucher und Kunden im Vorfeld „digital einfange“ und ihr Interesse wecke, investieren sie auch in einen Besuch vor Ort. Nutzen Sie also die digitale Community dazu, den Profit ihrer physischen Präsenz zu maximieren.

 

Elisabeth Biedermann ist Director Brand & Corporate Communication bei RX Austria & Germany. In ihrer Position treibt sie sehr intensiv die Entwicklung von Content-Plattformen und die damit einhergehenden neuen Umsatzmodelle für die Messewirtschaft voran.

 

www.reedexpo.de

 

Für das Medienmonitoring rund um Fach- und Branchenmessen hat Radiosphere die cloudbasierte Monitoringplattform RS-Lynx entwickelt. Unsere Lösung ist flexibel konfigurierbar, das heißt, es lassen sich langfristig Filter nach ganz unterschiedlichen KPIs anlegen, zum Beispiel für die Trendbeobachtung. Mögliche Ausgabeformate sind Medienspiegel als Newsletter oder PDF und cloudbasierte Realtime-Dashboards.

 

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Elisabeth Biedermann

Elisabeth Biedermann

Director Brand & Corporate Communication bei RX Austria & Germany. In ihrer Position treibt Elisabeth Biedermann intensiv die Entwicklung von Content-Plattformen und damit einhergehende neue Umsatzmodelle für die Messewirtschaft voran.

 

 

Fotos: Pixabay/Peggy_Marco, Sebastian Datzreiter