Um ihre jährlich bis zu 120 Millionen Passagiere zufrieden zu stellen, stützen sich die großen Flughäfen dieser Welt inzwischen auch auf das Monitoring von Social Media-Plattformen. Heinz D. Schultz, Datenanalyst bei RADiOSPHERE, ist überzeugt, dass sich damit die Servicequalität zwischen Anfahrt und Abflug entscheidend verbessern lässt.

Herr Schultz, was können Flughäfen per Social Media Monitoring lernen, was sie nicht eh schon wissen?

Große Flughäfen sind enorm komplexe Systeme mit einer Vielzahl von Dienstleistungsangeboten. Viele hundert Firmen sind dort tätig. Denken Sie nur an Sicherheitsunternehmen, Einzelhändler oder die einzelnen Fluggesellschaften mit ihren Sub-Unternehmen. Ein Flugpassagier kommt auf seiner sogenannten Customer Journey mit vielen davon in Kontakt.

All diese Kontakte prägen seinen Gesamteindruck von einem bestimmten Flughafen. Für all diese Kontakte Feedback-Kanäle oder Marktforschung zu etablieren, um die Erfahrungen und Wünsche der Passagiere zu erfassen und zu verstehen, wäre sehr aufwändig und damit auch teuer. Social Media als impulsiv genutzte Massenmedien erfüllen die Feedback-Funktion hervorragend, wenn man sich als Flughafenbetreiber darauf einlässt und auch selbst aktiv kommuniziert. Etwa über Messenger-Bots, die über Verspätungen informieren.

 

Stationen auf der Customer Journey eines Flugpassagiers, an denen man ihn enttäuschen kann.

Die Customer Journey eines Flugpassagiers im Changi Airport von Singapur im Radar Chart: Von der Anreise zum Flughafen bis zum Boarding wurden im Juni 2017 über 28.000 Postings semantisch ausgewertet. Parkplatzsuche, Check-In und das Warten auf den Sicherheits-Check haben demnach am meisten Frustrationspotenzial.

 

Sich darauf einlassen: Tun das die Flughafenbetreiber?

Fast ausnahmslos ja. Die Top-20 Flughäfen dieser Welt bedienen jährlich jeder zwischen 60 und 120 Millionen Passagiere. Fast alle von denen haben ein Smartphone dabei. Viele davon sind präsent auf Facebook, Instagram, Twitter oder anderen Social Media-Plattformen. Den Flughäfen geht es natürlich nicht darum, „Likes“ oder „Shares“ einzusammeln. Sie wollen das „Gemecker“, also negative Meinungen in ihrer Substanz erfassen und im nächsten Schritt  darauf reagieren, um die Servicequalität zu erhöhen.

Von der Anfahrt über das Parken, den Check-In, die Sicherheitskontrolle, das Boarding bis zum pünktlichen Abflug in einer wohltemperierten Kabine mit einem netten Sitznachbarn – an all diesen Stationen kann gefühlt viel schiefgehen. Und wenn immer Erwartungen enttäuscht werden, ist die Hemmschwelle gering, seinem Ärger über Social Media Luft zu machen. Die Leute haben beim Warten auf das Boarding Zeit zum „Meckern“ und oft nichts Besseres zu tun. Facebook & Co. werden so zu Mecker-Apps, die unser menschliches Bedürfnis nach Empörung bedienen, wenn wir uns schlecht oder unfair behandelt fühlen.

 

Airports Seoul und Hong Kong: Heat Maps der Social Media Konversation

Am Changi Airport in Singapur wird aktiver gepostet als in Hong Kong oder in Seoul: Die Heat Map lokalisiert die Social Media Postings sogar über die Flughafenareale. Mit der semantischen Analyse der einzelnen Postings lassen sich nun Bezüge zur Servicequalität entlang der Customer Journey herstellen. 

 

Wie tief sollte die anschließende Analyse der gewonnenen Daten gehen?

Probleme mit der Servicequalität frühzeitig zu identifizieren und hoffentlich abzustellen, ist das eine. Dazu sollte man bestimmte Themen und Hashtags beobachten und semantisch analysieren – in verschiedenen Sprachen und mit Fokus auf bestimmte Flugziele, um die globale Viralität solcher Themen im Blick zu haben.

 

Ärger landet auf Facebook. Unfreundliches Store Personal wird im Nachgang damit konfrontiert.

Ärger über unfreundliches Personal in einem Geschäft im Changi Airport von Singapur kann auch das Image des Flughafens beschädigen. Im weiteren Workflow erhält der verantwortliche Store-Manager deshalb eine Kopie des Facebook-Postings als Kunden-Feeback, um sein Team eventuell etwas mehr zu motivieren und die Servicequalität zu erhöhen.

Eines unserer Projekte für den Changi Airport in Singapur hat aber gezeigt, dass die Trendbeobachtung strategisch genauso wichtig ist für eine hohe Servicequalität: Welche Angebote und Dienstleistungen werden in Zukunft wichtig sein? Teilen die Passagiere auf Instagram eher Fotos von asiatischen Nudeln, ihrem Hamburger oder einem Avocado-Sandwich? Die Suchanfragen für das Monitoring müssen ständig angepasst werden, um reale Trends und deren Abbild in den Social Media zu erfassen. Ähnlich den Flughäfen arbeiten übrigens auch große Einkaufszentren zunehmend mit solchen Analysemethoden, um die Umsätze mit Waren oder Speisen bei definierten demographischen Zielgruppen zu erhöhen innerhalb einer als optimal empfundenen Verweildauer. Aber das ist ein anderes Thema…

RADiOPSHERE Datenanalyst Heinz D. Schultz

Heinz D. Schultz ist Datenanalyst bei RADiOSPHERE.

Fotos: © fotolia.com, Heinz D. Schultz